Neonatale Entwicklungs- und epileptische Enzephalopathien

Frühe infantile Entwicklungs- und epileptische Enzephalopathien (FIEEE, englisch: „early-infantile developmental and epileptic encephalopathies“) beinhalten das Ohtahara-Syndrom und die frühe myoklonische Enzephalopathie, die früher als 2 unterschiedliche Entitäten galten, deren Begriffe aber im letzten Statement-Paper zu den verschiedenen Epilepsiesyndromen der International League Against Epilepsy (ILAE) verlassen wurden [4]. Die Ursachen sind daher sehr mannigfaltig, meist genetisch, strukturell und/oder metabolisch. Definitionsgemäß muss der Beginn der Anfälle innerhalb der ersten 3 Lebensmonate sein, Auffälligkeiten in der neurologischen Untersuchung (des Tonus, der Haltung oder der Bewegung), eine Entwicklungsstörung (die noch schwierig zu erkennen sein kann) und häufige Anfälle und eine Pharmakoresistenz müssen vorliegen. Das interiktale Elektroenzephalogramm (EEG) ist hochauffällig im Sinne eines Burst-Suppression-Patterns, eines diskontinuierlichen Patterns, einer diffusen Verlangsamung oder multifokaler Entladungen [4]. Weitere diagnostische Untersuchungen wie die zerebrale Bildgebung, genetische und metabolische Analysen erlauben in bis zu 80 % der betroffenen Neugeborenen und Säuglinge eine genaue ursächliche Zuordnung ([6]; Tab. 1).

Tab. 1 Steckbrief: Frühe infantile Entwicklungs- und epileptische Enzephalopathie (FIEEE)Epidemiologie und Klinik

Mit einer Inzidenz von 10/100.000 Lebendgeburten sind FIEEE selten; die ersten Anfälle treten innerhalb der ersten 3 Lebensmonate auf; auf die gängigen anfallsunterdrückenden Therapien werden diese Kinder nicht anfallsfrei und zeigen, wie oben bereits erwähnt, Auffälligkeiten in der neurologischen Untersuchung und in ihrer Entwicklung [5].

Die Präzisionsmedizin erlaubt es heute, gewisse Genvarianten-spezifische Therapien, wie z. B. bei KCNQ2 (und KCNQ3, beide „loss of function“), SCN2A, SCN8A („gain of function“) Natriumkanalblocker, oft hoch dosiert, aber auch Chinidin bei KCNT1, einzusetzen [7,8,9,10].

Andererseits ist natürlich immer eine Epilepsiechirurgie zu diskutieren, sollten die Voraussetzungen dazu gegeben sein.

Anfälle, Elektroenzephalogramm-Muster und Bewegungsstörungen

Die Semiologien der Anfälle im Rahmen von frühen infantilen Entwicklungs- und epileptischen Enzephalopathien sind tonisch, myoklonisch, epileptische Spasmen und sequenziell (d. h. mehrere Semiologien hintereinander innerhalb eines Anfalls, typischerweise KCNQ2 mit tonischem Onset).

Interiktal sind verschiedenen Pattern möglich, typischerweise aber ein Burst-Suppression-Pattern, d. h. hochvoltierte Burstaktivität (150–300 µV), bestehend aus Spikes, Sharp-Waves, Sharp- und Slow-Waves alternierend mit einer supprimierten Phase (Amplitude < 5 µV). Die Dauer der supprimierten Phase ist mitbeeinflusst durch die Gabe z. B. von Barbituraten oder auch vom Vigilanzzustand des Kindes. Möglich sind aber auch diskontinuierliche Pattern, multifokale Spikes, Sharp-Waves, Sharp- und Slow-Waves, aber auch diffuse Verlangsamungen (Beispiele Abb. 2, 3, 4, 5, 6, 7 und 8).

Abb. 2figure 2

Iktales und interiktales Elektroenzephalogramm (EEG) (Alter 1 Woche, Amplitude 15 µV): Burst-Suppression-Pattern bei metabolischer früher infantiler Entwicklungs- und epileptischer Enzephalopathie bei Cholesterinstoffwechselstörung. Klinik: erratische Myoklonien während des Bursts (erste Hälfte der Seite), tonische Anfälle sowie Bewegungsstörungen (nicht abgebildet)

Abb. 3figure 3

Interiktales Elektroenzephalogramm (EEG) (Alter 2 Tage, Amplitude 7 µV): diskontinuierliches Tracé bei Glycin-Enzephalopathie. Klinik: fokale Anfälle

Abb. 4figure 4

Iktales Elektroenzephalogramm (EEG) (Alter 3 Tage, Amplitude 7 µV): sequenzieller Anfall mit a tonischer Phase, b klonischer (erste Hälfte der Seite, bilaterale Spike und Waves) und anschließend erneut tonischer Phase (2. Hälfte der Seite, bilaterale Abflachung der Amplitude und schnelle Aktivität) und c autonomer Phase mit Apnoe (s. fehlende Abdomenbewegung 2. Hälfte des Bildes) bei KCNQ2-Variante

Abb. 5figure 5

Interiktales Elektroenzephalogramm (EEG) (Alter 6 Wochen, Amplitude 10 µV): vermehrte Beta-Aktivität bei PAFAH1B1 (LIS)-Variante. Klinik: fokal klonische Anfälle und behavioraler Arrest

Abb. 6figure 6

Interiktales Elektroenzephalogramm (EEG) (Alter 4 Monate, Amplitude 10 µV): Degradation des EEGs mit Hypsarrhythmie, teils fragmentiert. Klinik: Spasmen

Abb. 7figure 7

Interiktales Elektroenzephalogramm (EEG) (Alter 4 Monate, Amplitude 10 µV): diffuses Slowing mit eingelagerten rechtshemisphärisches Sharp-Waves und Sharp- und Slow-Wave-Komplexen bei CDKL5-Variante. Klinik: tonische Anfälle

Abb. 8figure 8

Interiktales Elektroenzephalogramm (EEG) (Alter 6 Wochen, Amplitude 7 µV): diskontinuierliches Tracé, phasenweise Suppression-Burst (nicht abgebildet), multifokale Spitzen bei „compound“ heterozygoter RARS2-Variante. Klinik: fokal klonische Anfälle, Laktatazidose, Hypoglykämien

Nebst den epileptischen Anfällen zeigen die Neugeborenen und Säuglinge mit FIEEE auch Bewegungsstörungen mit Chorea, nichtepileptische Myoklonien, Dystonie und Tremor [5].

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